Terms and Conditions
mit Kirstin Naomie Broussard, Jovana Komnenić & Dirk Sorge
Intervention
15.-23.11.25 Eröffnung: 14.11.25, 16:00 Eintritt frei

Design: operative.space
In Kooperation mit / in cooperation with Berlinklusion
Die Künstler*innen Kirstin Naomie Broussard, Jovana Komnenić und Dirk Sorge fragen mit ihrer künstlerischen Intervention Terms and Conditions nach den Barrieren, die sowohl Künstler*innen als auch Publikum den Zugang zu Kunst erschweren – den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für öffentliche Kunst- und Kultureinrichtungen“.
Historische Gebäude wie die Klosterruine bringen hierbei noch einmal besondere Herausforderungen und Perspektiven mit sich. Dass viele Kulturorte unter Denkmalschutz stehen, führt in den Augen von Berlinklusion auch dazu, dass historische Ausschlüsse für die Zukunft konserviert bleiben. Die drei in der Klosterruine gezeigten künstlerischen Arbeiten setzen sich mit diesem bedeutenden Baudenkmal im Herzen Berlins auseinander und hinterfragen dabei festgeschriebene Beschränkungen und die Rolle von „Gatekeepern“. Zu sehen ist etwa ein Spiegel, der die Außenwelt in den Raum reflektiert, eine skulpturale Uhr fordert unser Verständnis von Zeit heraus und eine Sandsteinskulptur beleuchtet das Verhältnis von Bauordnung und Individuum.
Berlinklusion ist ein Netzwerk für Zugänglichkeit in Kunst und Kultur aus Künstler*innen, Kurator*innen und Vermittler*innen mit und ohne Behinderung.
Mirror Image/You Are Here
Kirstin Naomie Broussard
Mirror Image/You Are Here von Kirstin Naomie Broussard fungiert sowohl als Institutionskritik als auch als Einladung, sich eine alternative Realität vorzustellen und sie auch zu betreten. Spiegel sind Räume der Konvergenz, in denen sich mehrere Punkte treffen, sie lenken die Wirklichkeit gleichzeitig ab und enthüllen, transformieren und reflektieren.
Der Satz „Du bist hier“ ist ähnlich offen – konfrontiert mit dem Spiegelbild und an einen Punkt im Raum gefesselt, den „Du“ physisch nicht betreten kannst, „Du“ musst dich mit einem mehrdeutigen visuellen Rätsel auseinandersetzen. Nehmen Sie sich selbst als im Raum befindlich wahr, mit dem Spiegel, der als Portal fungiert, Sie hineintreibt, Ihre Präsenz anerkennt und Ihnen hilft, sich gesehen und repräsentiert zu fühlen? Oder funktioniert der Spiegel, indem er Ihnen bewusst macht, dass sich alles hinter Ihnen im Spiegelbild verdoppelt, wie eine Wand, die Sie annimmt und Sie dennoch ständig außerhalb des Rahmens platziert?
ZUSPÄTGEKOMMEN/TARDYARRIVAL
Jovana Komnenić
Zu spät gekommen
von Walter Benjamin
Die Uhr im Schulhof sah beschädigt aus durch meine Schuld. Sie stand auf “zu spät”. Und auf den Flur drang aus den Klassentüren, die ich streifte, Murmeln von geheimer Beratung. Lehrer und Schüler dahinter waren Freund. Oder alles schwieg still, als erwartete man einen. Unhörbar rührte ich die Klinke an. Die Sonne tränkte den Flecken, wo ich stand. Da schändete ich meinen grünen Tag, um einzutreten. Niemand schien mich zu kennen, auch nur zu sehen. Wie der Teufel den Schatten des Peter Schlemihl, hatte der Lehrer mir meinen Namen zu Anfang der Unterrichtsstunde einbehalten. Ich sollte nicht mehr an die Reihe kommen.
Die Arbeit ZUSPÄTGEKOMMEN von Jovana Komnenić bezieht sich auf das Konzept von Crip Time – einer Zeitlichkeit jenseits normativer Vorstellungen von Produktivität und linearen Lebensläufen. Ausgangspunkt ist der kurze Text „Zu spät gekommen“ von Walter Benjamin, in dem das Motiv des Zu-Spät-Kommens nicht als bloßes Versagen, sondern als existenzielle Erfahrung der Entfremdung und Unsichtbarkeit erscheint. Dieses Gefühl, außerhalb des vorgesehenen Takts zu stehen, wird in der Arbeit zu einem Symbol für strukturelle Ausschlüsse im Kulturbereich. Nicht nur physische, sondern auch zeitliche Barrieren – Altersgrenzen, Karriereerwartungen, lineare Bildungswege – schließen jene aus, deren Lebenswege von Sorgearbeit, Krankheit, Migration oder Unterbrechungen geprägt sind.
Die Installation von Komnenić besteht aus einer metallenen Uhr ohne Zeiger, deren Buchstaben anstelle von Zahlen die Worte „zu spät gekommen“ bilden. Am Seiteneingang der Klosterruine platziert, verweist sie auf alternative Zugänge und auf das „Zu-Spät“ als widerständige Form von Zeit.
Die Neue Bauordnung
Dirk Sorge
Die Neue Bauordnung
1: Der Körper ist ein Tempel.
- Er wird durch die öffentliche Hand gepflegt, saniert und instandgehalten.
- Die Nutzung zu privaten und gewerblichen Zwecken ist ausdrücklich gestattet.
- Bei Bedarf sind Anbauten grundsätzlich zulässig.
- Bei Auszug ist er besenrein zu hinterlassen.
2: Der Geist ist eine Baustelle.
- Er wurde in angemessener Weise überdacht.
- Das Fundament ist sachgerecht zu untermauern.
- Er sollte vor der Nutzung vollständig entkernt und ggf. nachverdichtet werden.
- Gegen Vandalismus ist er entsprechend abzusichern.
3: Die Seele ist eine Ruine.
- Die Flucht- und Rettungswege sind unbedingt freizuhalten.
- Nach einer Zwangsräumen wird sie neu verpachtet.
- Ein Flügel wird unverzüglich abgerissen.
- Der Rest ist denkmalgeschützt.
Die Sandsteinskulptur Die Neue Bauordnung von Dirk Sorge wurde als Fremdkörper vor den Seiteneingang des ehemaligen Klosters in der Nähe von anderen Felsbrocken gestellt. Als Probestück diente sie zur Übung von hand-werklichen Fertigkeiten. Die Form war nicht vorab geplant, sondern ergab sich beim Meißeln aus der Struktur des Steins selbst. Sie ist genauso fertig oder unfertig wie eine Ruine. Wind und Wetter können das poröse Material verändern. Jeder Versuch, die Skulptur in einem bestimmten Zustand zu erhalten, erscheint zwecklos, wenn man in geologischen Zeitdimensionen denkt. Zu der Arbeit gehört ein Text, der die Sprache und die Begriffe aus Baurecht und Immobilienbranche auf den Menschen anwendet. Menschen werden dabei nicht mehr als Individuen gesehen, sondern nur noch als Fälle für die Verwaltung, als Objekte oder Vertragspartner.

Das Team von Berlinklusion: Kirstin Broussard, Dirk Sorge, Kate Brehme, Jovana Komnenić (von links nach rechts), Foto: Jürgen Scheer
Biografien
